Tagebuch der Götter
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Tagebuch der Götter

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 ~ adventures between horizons ~

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Rex Dei
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BeitragThema: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyMi 28 Nov 2012 - 18:21

Ein mildes unbeschwertes Lächeln eilte den kreischenden Möwen nach, die in die aufgehende Sonne flogen. Zartes Orange mischte sich unter die schwarzen Rußwolken, die aus den gigantischen Schornsteinen der Fabriken quollen. Der nordöstliche Wind schäumte das Wasser der Themse auf und schob die Rauchkolosse zu unterschiedlichsten Figuren. Noch war der Himmel dunkel, noch brach die Sonne nicht durch. Die alten Dielen knarrten, wenn der Wind die Häuserfront streifte. Ohne nachzudenken, schwang man die Beine über das Geländer und drückte sich schwungvoll ab, landete auf Kisten, welche aus dem Kontor geladen wurden und gelang so leichtfüßig auf das Kopfsteinpflaster des Hafenbeckens.
In den morgendlichen Gassen und Straßen des Londoner Luftschiffhafens herrschte bereits in dieser Frühe ungehemmtes Treiben. Die Stimmen von Händlern, die ihre Ware lieferten oder geliefert bekamen, vermischten sich mit den Rufen der Hafenbeamten, die den Zoll und die Ware prüften. Im Schatten der Fabrikstädte wurde hier und da das ein oder andere profitable Geschäft abgewickelt: Gewürze von den indischen Feldern, Früchte aus den Tropen oder Waffen aus dem Deutschen Reich. Die Schmelzöfen liefen rund um die Uhr auf Hochtouren, verschwitze Arbeiter verließen ihre Nachtschicht und krochen nach Hause, wenn sie nicht gerade ihren Lohn in den Hafenschenken versoffen. Wagen holperten aneinander vorbei, stellten sich quer und blockierten Docks und Kontore. Der frühmorgendliche Hafenbetrieb im London des neunzehnten Jahrhunderts.
Wir schreiben das Jahr 1872 und wir befinden uns in England, einem der größten Industriestaaten – nein DEM größten Industriestaat – der modernen Welt. Die Kriege um die europäische Vorherrschaft sind allgegenwärtig. Krieg zwischen Frankreich und Preußen. Bruderkriege zwischen Deutschen und den Österreichern. Die Industrie boomt. Kohle und Stahl für die Waffenproduktion. Eisen und Öl für die Flotte des britischen Empires. Watt erfand die Dampfmaschine, der Massenproduktion ist der Weg geöffnet. Absatzmärkte auch Übersee. Queen Victoria segnet die ‚Empire‘ ab. Englands größtes Kriegsschiff ist weltweit das Beste. Soziale Spannungen zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Löhne gesunken. Profit gestiegen. Dampfkraft bekämpft Hunger! England geht es gut, zumindest den oberen Schichten der Gesellschaft. Die arbeitende Klasse hat auch schon schlechtere Zeiten erlebt. Das Vereinigte Britische Königreich steht an der Spitze der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Welt.
Fynn – ein fünfzehnjähriger Träumer – findet sich in all dem Werkeln und Schuften wieder. Seine Aufgabe war erfüllt. Der gute alte Ferdinand – so nannten sie an Bord den Koch – sollte seine Gewürze bekommen. Die East-India-Company würde sie bestimmt nicht vermissen. Und falls doch, würden sie es viel zu spät bemerken, dass ein so unschuldiges kleines Wesen sich unerlaubt etwas geborgt hatte. Behände trug er die kleine Kiste durch die Menschenmassen, die sich tummelten und gegenseitig anbrüllten. Er kannte sein Ziel. Die ‚Estrella‘ wurde mit dem letzten Glockenschlag zur neunten Morgenstunde Segel setzen und den Aufenthalt hier in der Hauptstadt des Britischen Reiches beenden. Es wurde langsam aber auch Zeit. Sonst verpassten sie noch die französische Handelsdschunke nach Paris.
Er führte ein angenehmes Leben und dieser Morgen bestätigte ihm nur, dass es ihm gut gehen konnte, wenn er sich nur darum kümmerte. Mit dem Geld des Dockwächters hatte er sich heute Morgen ‚Bacon and Eggs‘ finanzieren können und mit gefülltem Magen konnte der Tag doch nur gut starten!
Er erreichte die ‚Estrella‘ - einen etwas heruntergekommenen und dennoch imposanten Dreimaster – und mogelte sich in der Schlange der aufs Schiff zu ladenden Güter vor, grinste nur spitzbübisch die sich beschwerenden Matrosen an. Man stellte die Kiste in der Kombüse ab und bekam zur Belohnung eine Möhre, die man strahlend annahm und dann aufs Deck huschte. Behände kraxelte man die Takelage hinauf und setzte sich oben auf den Rah. Mit leuchtenden Augen blickte man der Sonne entgegen. Das Metall schimmerte im roten Licht des Morgens und für einen Augenblick war es vollkommen windstill. Fynn liebte das Abenteuer und irgendwas sagte ihm, dass diese Reise etwas Besonderes werden würde. Der Wind zauste das helle Haar, während er dabei zusah, wie die ersten Handelsschiffe bereits ihre Segel setzten, um die günstigen Wetterbedingungen auszunutzen. Die schweren Schläge des ‚Big Bens‘ kündigten an, dass es jetzt sieben Uhr früh war. In zwei Stunden würden sie Anker lichten. Dann waren sie wieder frei, dann konnte sie niemand mehr aufhalten. Ein sehnsüchtiger Ausdruck legte sich in seinen Blick, als der die Ufer der Themse entlang schweifte. Gedankenverloren kaute er an der Möhre in seiner Hand. Er träumte von der weiten Welt. Dies war erst sein zweiter Segeltrip. Er wollte alles sehen, jede Stadt, jedes Land! Berge und Täler dieser Welt!
Er konnte es kaum erwarten. Sein Körper war bereit, bereit für das große Abenteuer.
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Rena
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyFr 30 Nov 2012 - 23:44

Auf den Straßen und in den kleinen Gässchen herrschte bereits in aller Frühe reges Treiben. Der Himmel wurde erleuchtet von dem sanften Schein der aufgehenden Sonne. Laue Luft trug den Duft frischer Gewürze und Gebäck zwischen den Häusern hindurch. Rufe von Marktschreiern, welche ihre Ware anwarben, wurden laut. Menschen tummelten sich an den Ständen auf dem Marktplatz, besahen sich die Angebote. Sie unterhielten sich über allerlei Tratsch, tätigten ihre Einkäufe, genossen die Wärme der frühen Morgensonne. Kinder rannten schreiend und lachend durch die Gegend, zwischen den langen Beinen der Erwachsenen entlang, verstecken sich; fingen sich.
Es war das herrliche Bild der friedlichen Hafenstadt London. Wenigen schien der Abfall und die schwarzen Rußwolken der Fabriken zu stören. Niemandem schien aufzufallen, dass das Licht viel getrübter war durch all den Schmutz in der Luft. Es war die Zeit der Technik, der Neuentwicklungen, der Erfindungen – selbst der Massenproduktion. Die Menschen fühlten sich wohl. Sie hatten Arbeit, sie konnten halbwegs über die Runden kommen. Zumindest hatte es den Anschein.
Doch unter der Oberfläche brodelte die stets anhaltende Armut. Die Menschen der oberen Schichten, die Menschen, welche das Glück hatten, arbeiten gehen zu können, ignorierten die Armut. Sie verschlossen die Augen vor dem Leid, welcher überall um sie herum existierte und sich immer deutlicher bemerkbar machte. Die Hauptsache war für sie, sich selbst und ihre Familie ernähren zu können. Alles andere war vorerst egal. Niemand sah die Menschen, die in alten Häusern Unterschlupf suchen, dessen Mauern teilweise bereits in sich zusammengefallen waren. Dessen Fenster mit Holzbrettern vernagelt worden waren. In denen auch Ratten und anderes Getier leben konnte. Niemand sah die Kinder, welche rußverschmiert durch die Straßen schlichen, abgemagert, hungrig. Die Kinder, die womöglich nicht mal mehr Eltern hatten, die ganz allein auf dieser Welt, in diesem Industriestaat, lebten und zusehen mussten, wie sie überlebten. Das neunzehnte Jahrhundert schien Traum und Albtraum zugleich.
Sein Kopf lugte vorsichtig aus der kaputten Tür heraus. Die Welt war gefährlich. Überall gab es Diebe. Überall gab es Schlägereien. Überall musste man sogar mit Mördern rechnen. Nein, die Welt war bestimmt nicht sicher. Kein Staat auf der Welt war sicher. Da konnten die Staatsoberhäupter sagen, was sie wollten. Sie konnten, oder möglicherweise wollten sie auch einfach nicht, nichts gegen die Bösartigkeiten der Menschheit ausrichten. Langsam trat er aus der Tür heraus, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand ihm auflauerte. Man konnte nie vorsichtig genug sein. Er strich langsam durch die Gassen Londons, im Schatten der Hauswände verborgen. Seufzend kickte er einen Stein vor sich her. Warum tat er sich das eigentlich jeden Morgen aufs Neue an? Jeden Morgen auf der Suche nach etwas Essbarem; jeden Tag in der Hoffnung, den Tag zu überleben; jede oft recht kühle Nacht auf einer dünnen Strohschicht mit einer noch dünneren Decke in einem halb zerfallenen Haus. Er wusste nicht einmal, warum er dieses Leben dem Tod bevorzugte. Vielleicht, weil er für seine Familie weiterleben wollte. Vielleicht auch einfach, weil er Angst vor dem Tod hatte. Er konnte ziemlich grausam und schmerzhaft sein...
Eine Weile war er ziellos durch die Gegen gelaufen, bis er am Rande des Marktes angelangte. Heute war mehr los als sonst. Oder kam ihm das nur so vor? Eigentlich eine perfekte Gelegenheit, sich ein kleines Frühstück zu suchen. Es war einfacher, im Gedränge etwas von einem Stand zu stehlen, als wenn nichts los war und die Aufmerksamkeit auf jedem möglichen Kunden lag. Oder auf kleinen Dieben, die alles mitnahmen, was in ihre Hände gelangte. Eigentlich hasste er dieses Leben. Eigentlich war er kein Mensch, der andere Menschen bestahl. Doch welche Möglichkeiten blieben ihm? Er - Pan - war ein Straßenkind. Ein unnützes, schwaches Kind, dem man nichts zutraute. Keiner traute einem Straßenkind über den Weg. In den Augen der Menschen der oberen Klassen waren sie selbst Schuld, dass sie auf der Straße leben mussten. Es war ihre Schuld, dass ihre Eltern sich vor Verzweiflung zu Tode soffen, dass sie den Hungertod erlitten, oder dass sie durch Brände ums Leben gekommen waren. Eigentlich waren sie doch Schuld am gesamten Leid in der Welt – in den Augen der Menschen der oberen Klassen.
Er mischte sich unter die Menschen auf dem Markt, ging unauffällig neben ihnen her, genoss den herrlichen Geruch des köstlichen Gebäcks. Am Rande eines Gemüsestandes blieb er stehen und sah sich um. Er brauchte nur den rechten Moment abzuwarten. Den Moment, in welchem der Verkäufer einen Augenblick abgelenkt wurde. Manchmal dauerte es über eine Stunde, ehe ihm die Gelegenheit geboten wurde, etwas zu stehlen. Doch dieses Mal schien ihm das Glück hold zu sein. Bereits nach wenigen Minuten lag die gesamte Aufmerksamkeit des Marktes auf einem Fleck. Ein Kind rannte in Eiltempo zwischen den Menschen hindurch, lautes Gebrüll hallte von einem aufgebrachten Händler hinterher. Das war sein Moment. Er griff willkürlich nach dem ausgelegten Gemüse, griff sich, was er nur zwischen seinen kurzen Fingern halten konnte. Und schließlich nahm er seine Beine in die Hand und tat es seinem Vorgänger gleich. Er rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.
Er versuchte, den Menschen weitestgehend auszuweichen, rempelte dennoch einige an und verlor dabei Teile seiner Beute. Der Gemüsehändler hatte den Diebstahl bereits gemerkt und rief die Menschen dazu auf, ihn festzuhalten. Ehe die Kunden jedoch reagieren konnten, war er längst an ihnen vorbei. Jahrelange Übung unter den härtesten Bedingungen war der Trick. Er rannte, bis er sicher sein konnte, keine Verfolger mehr zu haben. Versteckt im Schatten einer kleinen unscheinbaren Gasse blieb er stehen, schwer atmend. Er schaute auf seine Hände, eine letztlich magere Beute. Ein Seufzen glitt über seine Lippen. Was sollte er mit ein paar kleinen Tomaten und einer Paprika nur anfangen?
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, setzte er seinen Weg fort. Er sollte schleunigst weiter. Möglicherweise waren sie ja doch noch auf der Suche nach ihm. Langsam schritt er durch die Gasse und landete schließlich im berühmten Hafen Londons. Möwen kreischten über der Themse, zogen ihre Kreise. Es roch nach Fisch. Sein Blick glitt über die Schiffe. An der Paprika knabbernd, überlegte er, was er mit dem langen Tag noch anfangen sollte. Er brauchte noch etwas zu Essen, sonst würde er nicht über den Tag hinweg kommen. Seine Füße trugen ihn an den Stegen vorbei, an welchen vielerlei Schiffe angelegt hatten. Womöglich hatte man dort etwas zu essen für ihn. Eigentlich gab es dort immer Nahrung. Doch war das nicht zu riskant? Ein Schiff, das jederzeit ablegen konnte? Mit Matrosen, die fremde Passagiere auf hundert Meter erkennen konnten? Wieder seufzte er. Warum tat er sich das eigentlich immer aufs Neue an? Er schlich sich an eines der Schiffe heran. Keines der luxuriösesten, aber dennoch eines, das groß und nicht vollkommen ausladend wirkte. Man sollte immer klein anfangen. Er wartete, bis er auf das Schiff gelangen konnte, ohne bemerkt zu werden. Glücklicherweise schien alles glatt zu gehen. Er war an Bord. Das erste Mal in seinem Leben. Er hörte das Rauschen der Themse, sah die Ausmaße dieses Schiffes. Er war überwältigt. Doch lange blieb ihm keine Zeit für Faszination. Er schlich sich vorsichtig weiter auf das Boot hinaus. Nun musste er nur noch die Küche finden. Doch bevor er sie fand, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Er wirbelte herum...
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptySa 1 Dez 2012 - 21:35

Unten an Deck gingen die Arbeiten weiter. Taue wurden überprüft, die Waren in das Schiffsinnere gebracht und für die Reise gelagert. Fässer und Kisten stapelten sich. Tiere wurden an Bord gebracht und in die Gatter im Bug gesperrt. Die letzten Matrosen erreichten das Schiff, da sie die Nacht in den Freudenhäusern der Stadt verbracht hatten, um die aufgezwungene Abstinenz der See besser ertragen zu können. Die Crew der ‚Estrella‘ war nunmehr vollständig und arbeitete Hand in Hand, um den geplanten Zeitplan befolgen zu können. Das von fern anscheinende Chaos auf den Dielen des Oberdecks, war eine durchgeplante und funktionierende Logistik. Die Zeiger des Big Bens bewegten sich vorwärts.
Oben auf dem Rah sah die Welt immer besser aus. Der Wind nahm zu und die Sonne durchleuchtete die Wolkendecke. Es war bestes Segelwetter. Mit der Genugtuung der Vorfreude biss man in die knackige Möhre und kaute genießend darauf herum. Es sollte keine Sekunde dieses herrlichen Morgens unausgekostet bleiben. In seinen Gedanken begann der kleine Mann ein Lied zu summen, welches auch bald von seinen Lippen übernommen wurde. Jemand rief seinen Namen- er sollte seinen Teil zur Arbeit auf dem ehrwürdigen Klipper leisten. Mit einem entsetzten Seufzer – der nur halb so entsetzt war, wie er klang – schwang man sich in die Takelage und landete kurze Zeit später mit beiden Füßen auf dem polierten Holz. Er wurde zum Bootsmann beordert. Als einer der wenigen, die flüssig Lesen und Schreiben konnten, trug man ihm auf, eine Inventarliste zu überprüfen und die Ladung zu überprüfen. Fynn schnappte sich das Papier und den Kalligraphen. Breit grinsend schlenderte er an den schwer arbeitenden Männern vorbei und ließ sich sagen, was man dort mit sich herum und in den Schiffsraum schleppte. Seine feinen Buchstaben und Bemerkungen füllten schnell das raue Pergament. Mit einem letzten prüfenden Blick segnete er das letzte Dutzend Weinfässer ab. Man steckte sich das Schreibgerät hinter das Ohr und rückte den Zylinder zurecht. Er liebte diesen Hut. Während er das Pergament zusammenrollte, verkündete der Big Ben, dass es nunmehr halb neun war. Sie lagen gut in der Zeit.
Der Blondschopf überreichte dem ersten Maat die angefertigte Liste. Es war ein junger Herr, dem das hellbraune Haar, leicht gelockt um den Kopf hüpfte. Phil war ein freundlicher Geselle, solange man tat, was er erwartete. Mit einem Danke nahm er das Schriftstück entgegen, überflog es mit seinen dunklen Augen und drückte dem Jungen dann ein Silberstück in die Hand, zwinkerte ihm zu. Fynn strahlte wie ein Honigkuchenpferdchen- der Tag war jetzt schon der beste der Woche!
„Alle Mann an Bord!“ donnerte Phils Stimme. Der Befehl wurde von dem Bootsmann am Pier wiederholt. Der erste Maat lehnte am Geländer des Achterdeckes und beobachtete, wie sich die verstreuten Matrosen vor ihm auf dem Deck sammelten. Es war zwanzig vor neun, als beim groben Überprüfen, alle Mann auf dem Schiff waren. „Landeplanke einholen! Anker lichten! Topsegel setzen!“ hallte es über das Deck. Die Meute setzte sich in Bewegung. Fynn machte sich auf, um beim Hissen der Segel behilflich zu sein.
Klirrend wurden die Anker gelichtet, der Wind erfasste die gesetzten Segel und langsam setzte sich der massige Dreimaster in Bewegung. Die ‚Estrella‘ stach in See, kehrte London den Rücken und begann seine Reise. Das schmutzige Wasser der Themse wurde vom Schiffskörper verdrängt, ebenso wie die Tatsache, dass sie den Londoner Luftschiffhafen vermutlich für eine ganze Weile nicht wieder sehen würden. Gekonnt gliederte der Steuermann den Klipper in die auslaufenden Schiffe ein. Alles schien planmäßig. Keine Schwierigkeiten, keine Behinderungen.
„Sir!“ die feste Stimme Big Johns riss die Mannschaft aus der Abreisemelancholie, Einige drehten sich um. „Lieutenant, Sir! Wir haben eine kleine Ratte an Bord!“ Die Augen der Besatzung richteten sich auf den stämmigen Mann, welcher unweit der Kombüse stand. Seine großen Hände lagen auf den schmalen Schultern eines Jungen, eines fremden Jungen. Big John hatte den zierlichen Körper ausgemacht und sich auf ihn gestürzt. Jetzt zappelte der schwächliche Knabe im Griff des Bootsmannes. Er war gefangen, es bildete sich ein Kreis von Schaulustigen um die Beiden. Rufe wie ‚Blinder Passagier‘ und ‚ Mieser Dieb‘ wurden laut, bis endlich Phil durch die Reihen gekommen war und sich vor dem Jungen aufbaute.
Auch Fynn hatte die Rufe vernommen und hatte sich umgeblickt, doch viel konnte er nicht sehen. Die Rücken der anderen Männer waren zu breit und zu dicht. Was da wohl vorging? Anscheinend hatte man einen unerlaubten Passagieren an Bord ertappt. Das konnte lustig werden. Er kletterte wieder ein Stück an der Takelage hinauf, um einen besseren Blick auf die Szenerie haben zu können. Alles, was er sehen konnte, war Big John, der einen zerlumpten Straßenjungen im Schwitzkasten hielt.
„Was sollen wir jetzt mit dem Kleinen machen, Sir?“ - „Holt den Captain.“
Die Tür zur Kapitänskajüte knallte gegen das Holz der Wand. Worte in aufgebrachten Spanisch schwangen ihnen entgegen. Das energische Schlagen von Absätzen war zu hören. Die Mannschaft bildete eine Gasse. Eine hochgewachsene, schlanke, gutgekleidete Person steuerte auf den ersten Maat zu. Das lange schwarze Haar tanzte im Wind, als der Captain neben Phil stehen blieb und den zappelnden Fang begutachtete. „Dios mio!“ und dann folgte ein hohes und belustigtes Lachen der Frau, welche augenscheinlich der Captain der ‚Estrella‘ war.
„Das ist ein Kind!“ sie warf ihre schwarzen geschwungenen Haare über die Schulter und schritt auf den fremden Jüngling zu. „Was redet ihr da von blinden Passagieren? Das ist nur ein kleiner armer Straßenjunge, der sich verirrt hat.“ Sie schnippte mit ihren langen Fingern, woraufhin Big Johns Griff sich lockerte und er den Jungen nur noch sanft aber bestimmt an der Schulter festhielt.
Die Dame ging vor dem Jungen in die Hocke, fing seinen Blick. „So, Kleiner.“ sie legte ihm ihre Hand an die Wange „Du hast doch sicherlich auch einen Namen oder?“
Ein Ruck ging durch den Rumpf des Schiffes. Ein Grollen drang aus dem Schiffsinneren, das Deck vibrierte. Der Captain schaute auf. „Was steht ihr hier so dumm herum, ihr Tölpel?! Ab auf eure Posten!“ Wie vom Blitz getroffen stoben die Schaulustigen auseinander und taten, was sie tun mussten. Die Rehbraunen Augen musterten den rotbraunen Haarschopf. Ob sie ihn einfach über Bord schmeißen lassen sollte? Dann würde er ans Ufer schwimmen und in London bleiben können.
„Sag, kannst du schwimmen?“
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptySo 2 Dez 2012 - 21:00

Vielleicht hatte er einfach nicht darüber nachgedacht. Vielleicht hatte der Hunger seine Sinne getrübt. Vielleicht hatte er sich zu sicher gefühlt Vielleicht hatte er aber auch einfach mal wirklich etwas riskieren wollen in seinem tristen Dasein.
Er wusste nicht, wie das hatte passieren können. Er hatte ihn nicht kommen hören. Der Mann schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein! Nun stand er direkt vor seiner Nase, fast drei Köpfe größer als er selbst. Wie hatte er einen Mann seiner Größe und seiner Statur nicht hören können? Er sah zu ihm auf, überlegte hektisch, was zu tun war. Er wich einen Schritt zurück; der Mann folgte ihm. Wirklich nett sah er nicht aus. Seine Augen funkelten wütend und irgendwie angriffslustig. Ob er sich darüber freute, solch einen Fang gemacht zu haben? Er sagte nichts, fragte nicht einmal. Ihn schien überhaupt nicht zu interessieren, was er hier zu suchen hatte. Noch ein Schritt. Er folgte ihm. Vielleicht sollte er einfach flüchten. Was anderes blieb ihm ohnehin nicht übrig. So bullig, wie dieser Kerl war, konnte er nicht schneller sein als er. Doch vermutlich kannte er sich wesentlich besser aus. Ihm blieb keine Wahl, dieses Risiko musste er eingehen. Ehe der Mann überhaupt begreifen konnte, was geschah, machte der Rotschopf auf dem Absatz kehrt und rannte das Deck entlang, sprang über Kisten und Seile hinweg, die im Weg lagen. Inzwischen hatte der Riese die Verfolgung aufgenommen. Er war schneller und flinker, als er gedacht hatte. Der Junge bemerkte nicht, wie der Mann in einer Seitentür verschwand. Er musste sich auf das konzentrieren, was vor ihm lag. Doch viel weiter kam er nicht. Er rannte direkt in den Körper desjenigen Mannes rein, vor welchem er nur kurz zuvor die Flucht ergriffen hatte. Er prallte zurück, fiel der Länge nach hin. Der Mann nutze die Gelegenheit und griff ihn grob am Arm, nahm ihn in den Schwitzkasten.
Fast hatte er damit gerechnet. Wie hätte er auch auf diesem Schiff flüchten sollten. Die Gassen von London kannte er wie seine Westentasche, doch dieses Schiff schien größer, als es aussah, und war verwinkelter, als er gedacht hatte. Verzweifelt versuchte er, sich aus dem Griff des Stämmigen zu befreien, aber er hatte keine Chance. Dieser Riese war einfach zu stark, verstärkte den Griff um seinen Hals. Also beschloss er, still zu halten. Es hatte sowieso keinen Sinn, sonst würde man ihn noch strangulieren. Er stolperte dem Mann hinterher, welcher lauthals ausrief, dass eine 'kleine Ratte' an Bord war. Vorfreude schwang in seiner Stimme mit. Oder täuschte er sich bloß? Man zerrte ihn an Bug des Schiffes, hielt ihn weiter unsanft mit dem Arm um den Hals gelegt. Eine Menschentraube hatte sich um ihn herum gebildet. Alle starrten den blinden Passagier an, manche lachten hämisch. Andere schauten unsicher, oder besahen sich einfach das Spektakel. Es kam wohl nicht allzu oft vor, dass jemand unerlaubt auf ein Schiff gelangten. Aus diesem Grund hasste er die Menschen. Keiner scherte sich um den anderen. Die Menschen kümmerten sich einzig um sich selbst. Alle anderen waren egal. Nun sahen sie belustigt zu, zeigten nicht einmal Sorge oder Mitleid, nichts. Keiner scherte sich um Straßenkinder. Von denen hielten sich alle lieber fern. Sein Blick glitt durch die Menschenreihe, als sich zwischen ihnen ein weiterer Mann durchkämpfte und sich vor ihm aufbaute. Augenscheinlich war er der Leutnant. Er sah durch die Strähnen seines schmutzigen Haares zu ihm auf, hasserfüllt und doch irgendwo unsicher. Er war eindeutig in der schlechteren Position. Er konnte nichts gegen sie ausrichten. Als der Leutnant den Captain holen ließ, bekam der Kleine es allmählich mit der Angst zu tun. Was würden sie wohl mit ihm machen? Würden sie ihn womöglich mitreisen lassen? Oder würden sie ihn einfach laufen lassen? Vielleicht würden sie ihm auch andere grausame Dinge antun. Wer wusste schon, wie die Menschen auf diesem Schiff tickten? Wie er sich immer sagte: Man konnte niemandem trauen.
Sein Blick fiel auf einen Jungen, welcher einen der Mäste hochgeklettert war, um von dort das Schauspiel beobachten zu können. Er war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als er, der immer noch von einer schaulustigen Menschenmasse umzingelt war. Nicht einmal in seinem Gesicht zeigte sich etwas, was man mit Sorge oder Mitgefühl hätte bezeichnen können. Ebenso wie all die anderen, schaute er sich entspannt an, was unter ihm am Bug vonstatten ging. Er kniff die Augen zusammen. Dieser Junge war ihm gleich unsympathisch. Wie er dort oben saß, vermutlich zu dieser Truppe gehörend, als sei er etwas Besseres, als die vielen Straßenkinder. Als er – Pan.
Schnaubend wandte er den Blick ab, horchte der Stimme einer Frau, die kurz darauf in sein Blickfeld trat. Scheinbar war sie der Captain dieses Schiffes. Hinter ihr schloss sich die gebildete Gasse wieder. Er versuchte ein weiteres Mal, den Griff des Mannes um seinen Hals zu lockern. Man schnürte ihm beinahe die Luft ab! Doch er bewegte sich keinen Millimeter. Das Lachen der Frau ließ ihn zusammenzucken und hätte der Riese nicht gleich seine Schultern ergriffen, wäre er vermutlich hingefallen, nachdem man plötzlich den Arm um seinen Hals entfernt hatte. Er richtete sich auf, schaute zu der Frau mit den langen schwarzen Haaren auf. Er schluckte. Sie war hübsch und eine starke Autorität für eine Frau. Die Männer an Deck tanzten allesamt nach ihrer Nase. Die schwarzen Haare gaben ihr etwas Unheimliches.
Erst jetzt bemerkte der Kleine, dass das Schiff abgelegt hatte. Die Häuser an den Ufern der Themse zogen langsam an ihnen vorbei, das Wasser rauschte unter ihnen. Der Wind pfiff um seine Ohren. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht! Verdammt! Wie sollte er denn so wieder an Land kommen? Ob der Captain wohl so herzlos war, und ihn einfach über Bord werfen ließ? Wieder schluckte er. Er war kein guter Schwimmer. Er konnte sich in der Not zwar über Wasser halten, doch die Strömung der Themse hatte selbst guten Schwimmern bereits das Leben genommen. In einem Anflug von Panik wechselte sein Blick zwischen der Frau und der Schaulustigen hin und her.
Sie ging vor ihm in die Hocke. Er erstarrte unter der Berührung ihrer kühlen Finger an seiner Wange. Sie fragte ihn nach seinem Namen, doch er antwortete nicht. Wortlos starrte er sie an, bis sie ihren Blick für einen Moment auf die Menschenmenge legte und etwas sagte, woraufhin die Menschen eilig wieder ihre Posten einnahmen und ihrer Arbeit nachgingen. Anschließend richteten sich ihre braunen Augen wieder auf ihn. Man fragte ihn, ob er schwimmen könnte. Ein weiteres Mal schluckte er. Seine Augen weiteten sich angstvoll. Sie war so grausam und würde ihn über Bord werfen!
„N- nein.“, stotterte er kopfschüttelnd. Er konnte nur beten, dass sie ihn nicht den Fischen zum Fraß vorwarf. „B- bitte nicht. I- ich kann nicht schwimmen!“
Ein Seufzen entglitt der Frau. Hatte sie wohl doch ein Herz für ein armes Straßenkind? „Stell keinen Unsinn an.“, hörte er den Captain sagen. „Ich überlege, was wir mit dir machen.“ Sie stand auf und verließ ihn. Der Riese löste die Hände von seinen Schultern und folgte der Frau, redete eindringlich auf sie ein.
Pan ließ sich seufzend gegen eine Kiste sinken. Das hatte er nun davon, dass er sich nicht woanders sein Frühstück hatte suchen können. Der Appetit war ihm gründlich vergangen...
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyDi 4 Dez 2012 - 18:27

Skeptisch hob sich die dünne Augenbraue. Hatte dieser Eindringling etwa seine eigene Zunge verschluckt vor lauter Hunger? Oder warum spuckte er seinen Namen nicht aus? Vermutlich hatte er gar keinen, weil seine Eltern ihn einfach als Säugling auf die Straße geworfen hatten, mit der Hoffnung, dass er jämmerlich krepierte. Hach, es waren schon grausame Umstände in den Städten. Bohrend lag ihr Blick auf dem Gesicht des Jungen, während sie wartete, dass er sich endlich dazu durchrang, seine Kauleisten auseinander zu kriegen. Hoffnung vergebens. Dummes Balg.
Seufzend richtete sie sich auf und schaute den Männern nach, wie sie ihren Arbeiten endlich nachgingen. Sie wollten diese schmierige Stadt mit ihrer verpesteten Luft schnellstens verlassen und endlich wieder die frische Luft der freien Welt atmen. Wieso verstanden es diese Holzköpfe nicht? Augen verdrehend kreuzte sie die Arme vor der Brust. Dieses Kind sprach ja immer noch nicht. Vielleicht sollte sie ihn schlagen lassen.
Ah- endlich schien das zottelige Straßenkind seine Stimme wieder gefunden zu haben. Was sagte es da? Es konnte also nicht schwimmen? Was lernten die Kinder heute eigentlich noch? Zu nichts waren sie mehr zu gebrauchen. Sie schnalzte mit der Zunge und schaute dann zum Ufer. Sie glitten gerade am Westminster-Palast vorbei, nahmen fahrt auf. „Stell keinen Unsinn an!“
Schwungvoll drehte sie sich um und stolzierte davon. Big John folgte. Sie brauchte eine Lösung für dieses Problemkind. Sie konnte keinen blinden Passagieren an Bord dulden – doch das Kind in das schmuddelige Wasser werfen bedeutete dasselbe, als wenn sie ihn jetzt einfach erschoss. Ihre Finger trommelten leicht auf den Knauf ihrer Pistole. Sie war in der Laune auf irgendwas zu schießen. Irgendwo hatte sie dieses verlorene Schäfchen der städtischen Armut schon ins Herz geschlossen. Es war eine Schande, dass sie keine eigenen Kinder hatte. Dabei liebte sie Kinder doch so sehr. Ein weiterer Ruck ging durch das Schiff, als die letzten Segel gesetzt worden waren. Bei dem Wind blieben ihnen vielleicht noch fünf Minuten, bis sie startbereit waren. Über die Schulter schaute sie hinüber zu dem zusammengesunkenen Burschen. Genervt blickte sie zu Big John, welcher auf sie einredete und ihr zu verstehen geben wollte, dass die Mannschaft den Jungen nicht akzeptieren würde und dass sie sowieso keinen Platz für ihn hätten. Auch Proviant wäre für ihn nicht eingeplant worden war, dass er erbärmlich verhungern würde, wenn nicht Madame Capitano etwas von ihrer Ration abgeben wollte. Zudem wäre er nur hinderlich, die schwächliche körperliche Verfassung machte ihn vollkommen untauglich für jedwede Arbeiten am und auf dem Schiff. Mit einem halbherzigen Nicken stütze sie die Arme auf die Reling. Sie hatte jetzt die Möglichkeit dem Jungen ein neues Leben zu schenken. Fragte sich nur, ob dieser es auch annehmen wollte.
„Mit Verlaub-“ mit diesen Worten landete der Junge mit dem Zylinder mit beiden Füßen neben dem Captain. Er hatte mitbekommen, dass sie wohl einen überflüssigen Mann an Bord hatte, einen Jungen augenscheinlich. Irgendwo tat er ihm leid. Er erinnerte ihn ein wenig an sich selbst. Vom Leben der Großstadt in die Gosse verbannt, von der Hand aus dem Mund lebend und jeden Tag aufs Neue um das nackte Überleben kämpfend. Das kam ihm alles zu bekannt vor. Aber jetzt ging es ihm gut – er konnte hingehen, wohin der Wind sie trieb. Er war frei, unbeschwert und glücklich. Er gönnte es dem Unbekannten irgendwie. Zwischen den strähnigen Haaren und dem Schmutz schien sich ein flauschiger junger Mensch zu verstecken. Das Leben auf der Straße hatte ihn zweifelsohne verschreckt und in die Defensive gezwungen. Aber, das würde man sicher lösen können. Fynn strahlte. „Ma' am, wenn es noch keine Lösung für das Jungenproblemchen gibt. Wie wär‘s, wenn wir ihn einfach dabehalten und ihn in der Küche arbeiten lassen?“ er hob fragend die Augenbrauen, lächelte aufmunternd. Seine Idee schien dem Captain sichtlich zu gefallen. Sie wand sich ihm zu und grinste breit und triumphierend Big John an, klopfte Fynn auf die Schulter. „Gute Idee, Kleiner“ flötete sie und schritt an ihm vorbei. Die Dame tingelte auf das Häufchen Elend zu. „So, Bürschchen.“ sie deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. „Ich habe gerade eine hervorragende Idee, was deinen weiteren Verbleib auf diesem Schiff betrifft.“ sie schaute ihn streng an „Du kannst bleiben. Aber-“ sie hob die Stimme „Aber du wirst dich gefälligst nützlich machen, comprende? Und zwar in der Schiffsküche, als Küchenhilfe!“
Murrende und ablehnendes Gemurmel verbreitende Matrosen sahen ihre Kapitänin an. Das konnte sie nicht ernst meinen. Warum sollten sie ein schmieriges Stadtbalg mitnehmen? „Das kommt davon, wenn man ‘nem Weib das Kommando überlässt“ murrte einer und – PENG!
Der weiße Rauch, welcher aus der Handfeuerwaffe des Captains stieg, wurde schnell vom Wind zerstreut. Die Kugel hatte sich in die Stirn des Mannes gebohrt, welcher nun leblos röchelnd über die Reling nach hinten kippte und geräuschvoll in der Themse versank. Es war für einen Augenblick totenstill. „Damit wären wir wieder die richtige Anzahl, John.“ bemerkte sie trocken und ließ den Blick einmal durch die erschrockenen Gesichter schweifen. „Hat sonst noch jemand ein Problem mit weiblicher Autorität? Hm?“ Als keiner antwortete, steckte sie befriedigt die Pistole zurück in die Schärpe um ihre Hüften. „So Ferdinand~“ sie deutete auf den Jungen aus der Gosse „Ich gebe hier den Ton an. Tu, was man von dir verlangt. Und bedank dich bei deinem Gönner, für seine dein Leben rettende Idee.“ Sie legte einen Arm um den Blonden und lächelte den Jungen an, den sie jetzt solange Ferdinand nennen würde, bis er auftaute. Dann verabschiedete sie sich.
Der Big Ben schlug zur neunten Stunde, die Maschinen erwachten. Das schwerfällige Rattern der Zahnräder wurde vernehmbar, an den Seiten des Schiffs quoll der Rauch an der Schiffswand hinauf. Die aufkommende Windböe blähte die Segel auf, der Rumpf zitterte leicht, der Bug des wuchtigen Schiffes hob sich langsam aus dem schwarzen Wasser der Londoner Lebensader. Die ‚Estrella‘ hob sich in die Lüfte.
Die rubinroten Augen funkelten im Licht der Sonne, als Fynn seinen Hut richtete und auf den Kleineren zu trat. Ein breites Grinsen zeigte seine weißen Zähne. Der Junge war gerettet. Er würde jetzt auch die Welt und ihre Wunder sehen können, all die Abenteuer erleben können, die zwischen den Horizonten auf sie warteten. „Willkommen, auf der ,Estrella'" er winkte, und streckte dann seine Hand aus, um Ferdinand aufzuhelfen „Mein Name ist Fynn~“
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyMi 5 Dez 2012 - 20:39

Die Beine angezogen, den Kopf auf die Knie gebettet, hockte er an die Kiste gelehnt und starrte in die Leere. Er wusste nicht, was er von all dem halten sollte. Die früh morgendliche Sonne wärmte sein Haupt, das Schiff trieb langsam auf der Themse, der Wind schlug ihm um die Ohren. Eine Reise auf diesem Schiff versprach, spannend und voller neuer Entdeckungen zu sein. Doch wollte er das überhaupt? Wollte er sich wirklich auf eine solche Reise begeben? Vielleicht entschied sich die Kapitänin ja doch anders und er würde über Bord geworfen. Und wenn nicht: Was sollte er auf diesem Schiff? Trug man ihm irgendwelche Drecksarbeit auf? Entspannt zurücklehnen war wohl kaum vorstellbar, nein. Würde er überhaupt Zeit bekommen, die erste Reise seines Lebens ins Unbekannte zu genießen? Würde er Zeit bekommen, das alles zu verdauen und sich darauf einzulassen? Würde er sich überhaupt darauf einlassen müssen?
Er seufzte. Irgendwie vermisste er das verfallene Haus, in welchem er 'gelebt' hatte. Dort wusste er wenigstens, was auf ihn wartete. Dort kannte er die Menschen der Umgebung. Dort wusste er, wie er sich verhalten musste, um über die Runden zu kommen. Nun wusste er überhaupt nichts mehr. Er war verwirrt und konnte nicht einmal sagen, dass er nicht durch seine eigene Blödheit Schuld an diesem ganzen Schlamassel war. Wer wusste schon, wie diese Matrosen drauf waren. Ihr negatives Interesse für ein Straßenkind ließ nichts Gutes vermuten. Was, wenn er wirklich auf dem Schiff bleiben konnte? Würde man ihm das Leben zur Hölle machen? Würde er rumgeschubst und ausgelacht werden? Gerade freundlich sah keiner von den Arbeitenden aus.
Sein Blick glitt hinüber zu der Frau, dem Captain. Sie schien nachdenklich. Vielleicht war sie sogar ganz nett. Wer wusste das schon? Der Riese redete weiterhin auf sie ein, vermutlich zählte er ihr alle Möglichkeiten auf, weshalb der kleine Rotschopf nicht auf dem Schiff bleiben konnte. Doch davon ließ sie sich wohl nicht beeindrucken zu lassen. Oder aber, gerade deswegen war sie nachdenklich. Er hoffte auf ersteres, obwohl er noch nicht sagen konnte, wie er zu einer Reise auf der 'Estrella' stand. Es machte ihn neugierig, aber sein Misstrauen hielt dagegen. Das war von Natur aus vermutlich jedem Straßenkind gegeben. Man konnte niemandem einfach trauen; dazu brauchte man schon einen verdammt guten Grund. Neben der Frau tauchte auf einmal dieser blonde Junge auf. Mit seinem Zylinder auf dem Kopf sah er fürchterlich arrogant aus. Was wollte er denn nun von der Kapitänin? Wollte er sie nun auch überreden, dass man ihn lieber den Fischen zum Fraß vorwarf, als ihn auf dem Schiff zu behalten?
Der Kleine beobachtete, wie sich das Gesicht der Frau bei den Worten des Blonden schlagartig aufhellte und sich dann schließlich ihm zuwandte. Zusammengekauert wie er war, blieb er gegen die Kiste gelehnt. Er fürchtete sich vor der Antwort. Warum, konnte er nicht sagen. Die Frau schien noch größer zu sein als ohnehin schon, der Junge neben ihr strahlte ihn täuschend ehrlich an. Vielleicht hatten sie eine Möglichkeit gefunden, ihn zurück an die Ufer Londons zu bringen, ohne ihn über Bord werfen zu müssen. Dann hätte sie niemandem, vor allem keinem Kind, den Tod beschert und dennoch ein Problem weniger. Ja, das musste es sein.
Als sie schließlich sein Schicksal mit Worten besiegelte, traute er seinen Ohren kaum. Er sollte auf dem Schiff als Küchenhilfe arbeiten? Sein Blick wanderte kurz zu dem Blonden hinüber und gleich wieder zurück. Er hatte keine Ahnung, was diese Arbeit für ihn bedeutete, und wusste demnach nicht, ob er glücklich darüber sein sollte, einen Job zu haben, oder lieber über die Reling springen sollte. Vielleicht wurde er nicht einmal bezahlt, immerhin wurde dieses Angebot nur als Notlösung für einen blinden Passagier gemacht.
Murrendes Gemurmel unter den Matrosen wurden laut. Sie schienen nicht mit dieser Lösung einverstanden zu sein. Von Anfang an hatten sie eine geringschätzige und ablehnende Haltung zu ihm gehabt – zu einem Straßenkind. Er hörte, wie sich jemand über den Captain beschwerte und ehe er sich versah, hatte die Schwarzhaarige ihre Pistole gezückt und abgedrückt. Der Mann, dessen Worte, die Autorität der Frau angezweifelt hatten, fiel hintenüber über die Reling. Der kleine Pan konnte nicht fassen, was soeben geschehen war. Er schluckte schwer, die Kinnlade war ihm halb heruntergeklappt. Sie hatte ihn einfach umgebracht! Ohne mit der Wimper zu zucken! Hatte er sich doch in ihrer mystischen Freundlichkeit getäuscht? Sie machte scheinbar vor nichts und niemandem Halt. Wenn ihr etwas gegen den Strich ging, sorgte sie mit allen Mitteln dafür, dass alles seine Ordnung annahm. Er richtete seine Augen wieder auf die Frau. Es war wohl besser, den Job als Küchenhilfe anzunehmen und keinen Aufstand zu machen. Sonst würde er ihre Pistole selbst noch zu spüren bekommen.
Die Worte ihrer nahm sie gar nicht mehr wahr, bis sie verschwunden war, die Totenstille dem Arbeitergemurmel wich und sich eine Hand in sein Blickfeld schummelte. Er blickte auf, direkt in das Gesicht des Blondschopfes. Das Schiff hatte sich nun endgültig in Bewegung gesetzt, angetrieben durch Zahnrädermechanismen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er starrte auf die Hand, welche sich ihm entgegenstreckte, erhob sich, ohne sie Hand zu ergreifen und klopfte sich provisorisch den Staub von seiner Hose. Nun stand er diesem arroganten Jungen gegenüber. Wie war gleich sein Name? Fynn? Er wusste sich nicht zu helfen. Sein Blick war aufrichtig, er schien sich ehrlich zu freuen. Doch was er zuvor gesehen hatte, trübte das Bild, welches sich in seinem Kopf bildete. Er brauchte Zeit, um ihn einschätzen zu können. Er wollte es sich nicht mit denjenigen verscherzen, mit denen er auf unbestimmte Zeit auf einem sehr begrenzten Raum zusammenarbeiten musste. Aber dennoch konnte und wollte er noch kein Vertrauen fassen. Sie lebten in einer harten Welt, in der es um Macht, Reichtum und Intrigen ging.
Der Kleine räusperte sich: „Ähm...“ er schaute schüchtern zu dem Anderen auf. „Danke, dass du – ähm... mir den Job beschafft hast.“ Er versuchte ein Lächeln, was ihm gründlich misslang. Lange hatte er nicht mehr gelächelt geschweige denn gelacht. Wie auch? Einsam, allein, arm wie er war? Vielleicht würde es auf der Reise, die ihm nun bevorstand, sein Leben, vielleicht sogar sein Wesen verändern. Leise machte sich die Neugierde breit. Er konnte nur hoffen, dass er damit keinen Fehler beging. Möglicherweise würden die Matrosen sich ja doch noch mit ihm gut stellen.
„Ich heiße Pan...“, murmelte er. „Äh - Wo ist die Küche?“ Damit konnte er sich womöglich ablenken, von all den schockierenden und verlockenden Neuigkeiten. Er brauchte Zeit, um über sein Schicksal nachzudenken. Eigentlich wollte er nicht arbeiten, nicht jetzt. Er wollte allein sein, in Ruhe. Das konnte er sich wohl vorerst abschminken. Sonst würde es nur Ärger geben und er würde Bekanntschaft mit der Pistole des Captains machen. Das wollte er lieber nicht riskieren...
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyDi 19 März 2013 - 22:44

Das Weiß seiner Zähne blitzte zwischen seinen Lippen auf. Der Junge konnte also Befehle ausführen, das war sicherlich ein nützlicher Charakterzug, wenn er hier überleben wollte. Aber artig ‚Danke‘ zu sagen, war ja auch nicht sonderlich viel verlangt gewesen. Mit einer eleganten Bewegung zog er den Kleineren – der offenbar Pan hieß - neben sich auf die Beine. Pan? Das erinnerte ihn ein wenig an Pfanne, so wie es die werten Engländer zu sagen pflegten. Ob er sich den Namen selbst gegeben hatte?
Er hatte gerade etwas sagen wollen, als ein kräftiger Ruck das Deck erzittern ließ. Beinahe wäre Pan neben ihm wieder auf seinen Hintern geplumpst, wenn man ihn nicht noch festgehalten hätte. Der alte Klipper schien zu ächzen und die Rauchwolken, welche das Schiff umwabberten, schienen dicker zu werden. Der Griff um die Hand des Rothaarigen wurde fester, Fynn wollte nicht, dass der Kleine wieder umfiel. Das ganze Schiff zitterte. „Komm! Das musst du dir ansehen!“ brüllte der Blonde gegen den Lärm der Maschinen an und zerrte Pan an die Reling. „Gleich ist es soweit!“ strahlte der Fünfzehnjährige und bedeutete dem anderen sich an der Reling festzuhalten. Gleich würde das neue Crewmitglied seinen ersten Start erleben, den ersten Schlag der Freiheit, der Ruck in den Himmel. Die schwarzen Wolken trübten die Sicht, brannten in den Augen und stachen in der Lunge. Für Fynn war es ein bekanntes, beinahe schon wunderbares, Gefühl. All dies waren die Vorboten für ein weiteres Abenteuer, für weitere spannende Dinge, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden! Doch für den anderen durfte dies eine scheußliche Prozedur sein, all diesen beißenden Rauch einzuatmen, nichts sehen zu können, vom Schiffskörper durchgerüttelt zu werden. Ihm war es bei seinem ersten Mal zu mindest so ergangen. Er hatte Angst gehabt, hatte gehustet und geröchelt und die Tränen seiner geröteten Augen geschmeckt, bei dem Versuch nicht laut aufzuschreien. Der Lärm der Maschinen quoll bis ins Unerträgliche an und dann ganz plötzlich mit einem Ruck wurde das Schiff aus dem Wasser gehoben. Das Wasser perlte vom Bug des Schiffes ab und floss zurück in die Themse, wühlte das trübe Wasser auf. Die Ankerketten klirrten, die Tiere aus dem Stauraum gaben verängstigte Geräusche von sich. Fynn lachte! Wie er diesen Moment liebte, so sehr liebte!
Die Stadt und ihre Menschen wurden kleiner, verschwammen ins Unkenntliche, bis die Themse wie ein dicker Regenwurm wirkte, der sich durch das Land schlängelte, begleitet von den aufsteigenden Schwaden der Fabrikschornsteinen. Die ‚Estrella‘ ließ London hinter sich und mit ihm auch die gewundenen Hafengassen und die verfallen Häuser, welche die Straßenkinder ihre Heimat nannten. Der Maschinenlärm ebbte ab, bis nur noch ein leises maschinelles Surren zu vernehmen war. Der Wind riss an den gehissten Segeln. Das Schiff glitt durch die Wolken, der strahlenden Sonne entgegen.
Fynn atmete tief durch, hier war die Luft klarer, viel klarer im Gegensatz zu der verschmutzten Stadtluft mit ihren widerlichen Gerüchen und stickigen Rauchschwaden. Das war der Geruch der Freiheit, der Geruch von Grenzenlosigkeit. Er lächelte und widmete sich wieder Pan. „Keine Sorge, Kleiner, man gewöhnt sich schnell daran!“ flötete er und stieß sich von dem Holz der Reling ab.
Der Kleine sollte also in die Küche? Jetzt wurde es Zeit, dass er seinen Gehorsam unter Beweis zu stellte – und niemand wollte den Captain verärgern. „Zur Küche geht es übrigens da lang~“ der Blondschopf deutete mit den Fingern in eine Richtung und setzte sich daraufhin in Bewegung. Pan schien für die Küchenarbeit geeignet, man musste nicht sonderlich viel dafür im Köpfchen haben oder besondere körperliche Ertüchtigung verrichten. Man konnte sich einfach seiner Arbeit widmen, ohne dabei gestört zu werden – immerhin arbeitete es sich mit gefülltem Magen besser und niemand wollte freiwillig auf seine Portion verzichten. Außerdem war der alte Ferdinand ein ganz geselliger Bursche, vielleicht ein wenig eigen, dennoch eine treue und gutherzige Seele. Er würde dem Kleinen schon alles Wissenswerte mitteilen und ihn zu einem funktionierenden Teil der Mannschaft ausbilden. Immerhin war er auch nicht mehr der Jüngste, da konnte ein weiteres Paar helfender Hände bestimmt nicht schaden. Außerdem stand der Kleine dann nicht hinderlich im Weg herum. Ja, das war schon eine verdammt gute Idee gewesen, die ihm da gekommen war. Zufrieden drückte er Tür zur Kombüse auf der Geruch von brennendem Holz und diverser Gewürze lag bereits jetzt in der Luft. Ein stämmiger älterer Herr blickte über die Schulter, als er die Störenfriede ausmachen wollte. „Raus aus meene Küche!“ raunte er „Wie oft hab ick‘s deck scho gesacht, Bürschle?“
„Keine Umstände Meister Ferdinand!“ flötete Fynn und schob grinsend Pan vor sich. „Dieser kleine Mann wurde eben zu deinem Küchenjungen berufen. Er soll dir zur Hand gehen.“
„Ick broch keenen Helfer!“ widersprach der Koch und stapfte auf die Beiden zu.
„Befehl vom Captain“ hob Fynn abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Viel Spaß!“ flötete er noch und lächelte Pan aufmunternd zu, ehe die Tür wieder hinter ihm zufiel.
„Soso?“ der Mann begutachtete den hageren Jungen, der nun vor ihm stand. „Du solls‘ meck also helfen tun?“ er wischte sich seine Hand an der Schürze ab und packte den Jungen bei der Schulter „Dann komm ma mit“
Er brachte den Neuankömmling zu einem großen Tisch und setzte ihn auf einen kleinen Hocker, stellte einen Sack Kartoffeln daneben, knallte ein Messer auf das abgenutzte Holz. „Ferdinand, heiße ick übriejens“ er warf dem Küchenjungen eine Schürze zu. „Bind dir dat um, Jung‘!“
Er kramte einige Sachen zusammen und gesellte sich an den Tisch „Hasse scho ma Ärpel jeschnitte?“ er deutete dabei auf die Kartoffeln.
„Sach ma, wie kommse überhaupt hierher, Jung‘?“
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyMi 20 März 2013 - 12:54

Den Kopf gesenkt stand er vor dem älteren Jungen und wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Er wartete darauf, dass der Blonde ihm eine Antwort gab oder ihn direkt in die Küche führte, als plötzlich ein Ruck das Schiff erschütterte. Er war nicht darauf vorbereitet gewesen, sodass er taumelte. Hätte der Ältere ihn nicht festgehalten, wäre er vermutlich hingefallen. Während sich sein Gleichgewicht allmählich wieder herstellte, fragte er sich, was geschehen war. Warum war der Rest der Crew nicht so erschrocken, wie er selbst? War die Estrella irgendwo gegen gefahren? Was war passiert? Nervös sah er sich um, aber keiner machte Anstalten, nachzusehen, ob mit dem Schiff alles in Ordnung war.
Ehe er sich weiter Gedanken darüber machen konnte, hatte der Blondschopf ihn bereits mit sich an die Reling gezogen. Stolpernd folgte er ihm, verwirrt. Zu viel passierte in zu kurzer Zeit. Er wusste nicht mehr, was er überhaupt noch denken sollte. Sein Kopf war voller neuer Dinge, die er verarbeiten musste. An der Reling angekommen, klammerte sich am Geländer fest – wie der Junge es ihm empfohlen hatte. Erneutes Zittern ging durch das Schiff, verschreckt sah er sich um, doch die Rauchschwaden nahmen ihm die Sicht. Er hustete. Wurden sie etwa angegriffen? Woher kam dieser Rauch? Brannte es irgendwo? Er verstand kaum die Worte des Anderen durch den ohrenbetäubenden Lärm, der sich in wenigen Sekunden breit gemacht hatte. Hätte er sich nicht, an der Reling festhalten müssen, hätte er sich vermutlich die Ohren zugehalten. Der Rauch brannte ihm in den Augen und in der Nase. Er hustete. Und jedes Mal, wenn er erneut einatmen musste, drang ihm wieder Rauch in die Atemwege. Er kauerte sich an der Reling zusammen, hustete und heulte. Es war nicht daran zu denken, die Luft anzuhalten. Das konnte doch unmöglich normal sein! Warum hatten die Worte des Blonden so begeistert geklungen?! Was war hier nur verkehrt?!
Er hatte sich auf dem Boden zurückgezogen, die Augen fest zusammengekniffen, die Nase notdürftig unter seiner schmutzigen Kleidung versteckt. Tränen liefen ihm über die eingefallenen Wangen, er hatte Angst. Warum unternahm denn niemand etwas?! Ein letzter Ruck ging durch das Schiff. Er hatte das Gefühl zu schweben. Einen Moment hielt der Kleine die Augen geschlossen, ehe er sie langsam, ganz langsam wieder öffnete. Der Rauch lichtete sich, der Lärm verebbte. Er sah sich um. Die Matrosen um ihn herum gingen ihrer Arbeit nach, als wäre nichts geschehen. Er blickte zu dem lachenden Fynn hinauf, misstrauisch; verärgert. Seine Hand griff nach dem Geländer der Reling, an welchem er sich langsam wieder empor hob. Mit der anderen Hand wischte er sich die Tränen von der Wangen und aus den Augenwinkeln. Er hustete noch einige Male und atmete dann herrliche frische Luft ein. Endlich wagte er einen Blick über die Reling hinweg, und sah erstaunt zu, wie das große London unter ihnen immer kleiner wurden. Wie war das möglich? Einerseits fürchtete er sich, so weit weg von London zu sein, so weit weg von dem Umfeld, welches er kannte. Dort, wo er wusste, wie er überleben konnte. Doch andererseits faszinierte ihn dieses Blickfeld, welches sich ihm bot. Die Häuser wurden zunehmend kleiner und die Menschen, die durch die Gassen liefen oder auf Marktplätzen herumwuselten, sahen aus wie kleine Ameisen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf seinem Gesicht. Vielleicht würde es ja doch nicht so schlimm auf dem Schiff werden? Hier oben schien alles anders zu sein, viel leichter und unbeschwert. Die Atmosphäre war hier oben ganz anders, als unten im grauen, trüben London.
Nur schwer konnte er von den Blick von der winzigen Stadt nehmen, als der Blonde wieder das Wort an den Kleinen richtete. Ach ja, die Küche. Das Lächeln verschwand, als er sich Fynn zuwandte, der ihm den Weg zur Küche zeigte. Schweigend folgte er ihm, ganz in seine Gedanken versunken. Was mochte er wohl für eine Aufgabe bekommen? Er konnte nur hoffen, dass er sich nicht allzu dumm anstellte. Sonst würde er womöglich doch noch die Knarre des Captains kennen lernen. Er unterdrückte einen Seufzer und trat hinter dem Jungen in die Kombüse.
Zögerlich blickte er sich um, nahm den Geruch einiger für ihn unbekannter Gewürze wahr. Er betrachtete den älteren Mann, dessen Name offenbar Ferdinand war. Er war groß und kräftig gebaut, wirkte dennoch nicht sonderlich einschüchternd. Er schien zwar keinen Gehilfen haben zu wollen. Trotzdem machte er auch nicht den Eindruck, sich besonders darüber zu ärgern. Kaum hatte man den kleinen Rotschopf bei ihm abgeliefert, verschwand der Ältere wieder. Nun waren Pan und Meister Ferdinand allein in der Küche. Er schaute zur Tür, die soeben ins Schloss fiel und wandte sich dann zögernd wieder an den Küchenchef, dessen Dialekt irgendwie seltsam in Pans Ohren klang und es ihm nicht immer leicht fiel, ihn zu verstehen. Woher er wohl kommen mochte?
Der Kleine folgte dem Mann an einen großen Tisch, auf dem Kartoffeln und ein Messer bereitgelegt wurden. Wortlos band er sich die Schürze um, welche ihm viel zu groß erschien für deinen kleinen, dürren Körper. Die Schultern hochgezogen, saß er auf dem Hocker und wartete auf weitere Anweisungen. Der Küchenchef setzte sich zu ihm und auf seine Frage hin, konnte Pan nur den Kopf schütteln. Wie hätte er Kartoffeln jemals schälen können, wenn er nur ein abgenutztes, altes Messer besaß, das inzwischen ziemlich abgestumpft war. Außerdem war es ihm nie gelungen, Kartoffeln vom Markt zu stehlen. Er ließ sich von Ferdinand zeigen, wie man Kartoffeln schälte und versuchte sich anschließend selbst an einer.
„Naja...“, murmelte er, während er überlegte, was er dem Mann erzählen konnte. „Ich denke, ich bin einfach meinem Gefühl gefolgt, als ich auf die Estrella zuging... Vielleicht war ich einfach neugierig.“ Er musste ja nicht unbedingt verraten, was er wirklich auf diesem Schiff gesucht hatte. Wortlos schaute er sich das winzige Stück Kartoffel an, welches bei ihm übrig geblieben war, und dann auf den Haufen mit der 'Schale' der Kartoffel. Er schluckte. Der Kleine schnitt mehr von der Kartoffel weg, als das etwas übrig blieb. Na, das fing ja gut an. Entschuldigend blickte er Meister Ferdinand an. Hoffentlich war er ein geduldiger Mann. So hatte er sich den Anfang auf der Estrella nicht vorgestellt.
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyMi 29 Mai 2013 - 16:58

An Deck verlief nach diesem eher untypischen Zwischenfall wieder alles in geordneten Bahnen und ohne weitere Störfaktoren. Die weißen Segel des Schiffes standen im Wind und schnitten durch die Wolken, welche den Himmel über der englischen Metropole bedeckten. Der Wind stand gut, viele Schiffe hatten diese Gegebenheiten genutzt, um die lange Reise zwischen den Kontinenten anzutreten, Handel mit anderen Nationen zu treiben oder im Auftrag der Wissenschaft neue Dinge zu erforschen. Der Londoner Luftschiffhafen glich einem Schwarm sich erhebender Vögel: dutzende Schiffe warfen ihre Schatten hinunter auf die Stadt und verdunkelten den Himmel, strömten in die unterschiedlichsten Himmelsrichtungen. Die gesamte Crew erwartete Befehle, wartete aktionsbereit, damit es nicht zur Kollidierung mit einem anderen Frachter oder Luftdampfer kam. Die dichten Rauchschwaden der Fabriken engten das Sichtfeld zusätzlich ein, es galt Vorsicht. Fynn hatte seine Aufgaben als Navigator und beeilte sich schleunigst wieder zum Steuermann zu gelangen, berichtete dem Captain, dass er getan hatte, was sie verlangt hatte. Hoffentlich stellte sich der Neue nicht allzu unfähig an und konnte sich irgendwie nützlich machen. Abgesehen von der Tatsache, dass er ihn irgendwie sympathisch fand, weil er ihn ein wenig an sich selbst erinnerte, als er Teil der Estrella geworden war, bedeutete es auch für ihn nichts Gutes, wenn sein Plan nicht den gewünschten Erfolg bedeutete. Und nur ungern wollte er seine eigene Haut für die des Neulings opfern. Zwischen all diesen Männern konnte es ganz schön rau zu gehen. Ein kurzer Seitenblick zur Kombüsentür – es wäre wirklich schön, wenn Pan es schaffte. Er hatte niemanden aus seiner Altersklasse hier an Bord, das wäre bestimmt amüsant. Gut, dass der alte Ferdinand eine dicke Haut und eine gute Seele besaß. Lächelnd richtete sich sein Blick in die Wolken.

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er aufmerksamst, wie die kleinen Finger versuchten, mit dem Messer umzugehen. Wie achtlos die arme kleine Kartoffel zu einem winzigen Würfelchen gelber Masse wurde. Nebenbei hatte er selbst bereits sechs Kartoffeln geschält und in die Schüssel geworfen, welche noch leer auf dem großen Tisch stand. Der entschuldigende Blick des Kleinen traf den dunklen Blick des bulligen Kochs. „Da ham ja de Säue mehr vom Ess‘n als de Crew“ stellte der Mann belustigt fest und fegte mit den prankigen Händen die Schale vom Tisch in einen Eimer. „Kopf na oben, Kleener!“ brummte er und klopfte dem Rotschopf gehörig auf die Schulter. Er setzte sein eigenes Messer an eine weitere Kartoffel und grinste seinen Gehilfen an „Einfach nich so feste drüggen mi‘m Messer, dann hasse auch nich so‘n Berch Schale.“ behutsam schälte er die Kartoffel in seiner Hand und zeigte sie Pan und drückte ihm die nächste Kartoffel in die Hand. Mit ein bisschen Übung würde der kleine Mann das sicherlich auch bald hinbekommen. Er würde schon noch einen Kartoffelschäler aus dem Jungen machen. Auch, wenn es bedeutete, dass die Mannschaft vorerst ein wenig kleinere Portionen Kartoffeln bekommen würde. Leise vor sich hinglucksend schälte er weiter seine Kartoffeln mit dem Gedanken daran, dass er sowieso mehr Kartoffeln schälte als sein langsamer Helfer. Es würde schon genug übrig bleiben. „Deinem Jefühl bisse gefolcht, sachste?“ er schaute hinunter und grinste schelmisch „Meinse wohl eher dein‘m Magen, aie?“
Trotz der anfänglichen Skepsis, ob ein Küchenjunge überhaupt so nützlich war, freute sich der alte Koch über ein bisschen mehr Gesellschaft in seiner Küche. Ihm war klar, dass es sicher Startschwierigkeiten geben würde, dass eben eine Person mehr in diesem Raum herumstand und der Rotschopf noch ein Gespür für all die Feinheiten der Küche und der Gerichte entwickeln musste. Doch er wurde auch nicht jünger und so konnte er den Kleinen in den Frachtraum schicken, wenn er etwas brauchte, vielleicht konnte sich der blinde Passagier doch noch als praktisch erweisen. Mit ein bisschen Spucke würde das schon schiefgehen. „Ick hab den Trubel da draußen scho noch mit bekomm‘n, Jung‘“ sagte er weiter „Aber mach dek ma keene Sorgen, wir machen aus dek scho noch en vernünftijen Küchenbusch‘n“.
Gemeinsam ging die Arbeit eher recht als schlecht von der Hand und die Schüssel füllte sich zusehends mit Kartoffeln, welche in kleine Stückchen geschnitten und in einen großen Topf gegeben worden. „Du kannst ma de Eimer voller Schalen runter zu de Tiere bringen und in de große Wanne, die da stehen tut, kippen.“ er deutete auf eine Luke im Boden „Pass aber uff, dasse mir nich de Leiter runterplumpst!“
„Un wenne wieder da bis‘, dann zeig ick dek ma, wie man nen ordentlichen Kartoffelbrei zubereiten tut“
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BeitragThema: Re: ~ adventures between horizons ~   ~ adventures between horizons ~ EmptyMi 16 Okt 2013 - 11:30

Es war hoffnungslos. Er war einfach zu unfähig, um in der Küche zu arbeiten. Er brachte es noch nicht einmal zustande, eine einfache Kartoffel zu schälen. Wenn er weiterhin mehr Schale als Kartoffel übrig ließ, würde die Crew innerhalb kurzer Zeit auf ihn losgehen, weil sie hungern mussten. Das wollte er sich gar nicht erst vorstellen, doch die Folgen waren durchaus absehbar und scheinbar nicht zu verhindern. Zumindest nicht, wenn er nicht schnell lernte, wie man eine Kartoffel richtig schälte. Er warf einen Blick auf Meister Ferdinand, welcher bereits sechs Kartoffeln ordentlich und sauber geschält hatte, während er selbst an der zweiten Kartoffel verzweifelte. Mutlos ließ er den Kopf hängen. Er wünschte, er könnte einfach gehen. Alles stehen und liegen lassen und das Schiff verlassen. Ohnehin hatte er nie diese Reise auf der Estrella antreten wollen. Doch nun blieb ihm nichts anderes mehr übrig. Das Schiff flog bereits hoch über London hinweg. Er saß hier fest, konnte nicht gehen. Außerdem wäre das Meister Ferdinand gegenüber nicht fair gewesen. Er hatte ihn so warmherzig bei sich aufgenommen, hatte ihm geduldig gezeigt, wie man eine Kartoffel schälte und schien nicht einmal böse darüber, dass Pan sich nicht so anstellte, wie er es eigentlich sollte.
Im Gegenteil. Es schien ihn beinahe zu belustigen. Vermutlich hatte er lange niemanden mehr bei sich gehabt, der sich so dämlich anstellte wie der kleine Rotschopf. Mit einigen aufmunternden Worten und einem Schulterklopfen erklärte Meister Ferdinand ihm nun noch einmal, wie er die Kartoffeln zu schälen hatte, und zeigte es ihm ein weiteres Mal.
Als der Kleine das Messer anschließend an einer ungeschälten Kartoffel ansetzte und sein Glück versuchte, stellte er mit Zufriedenheit fest, dass die Tipps des Meisters durchaus ihre Wirkung zeigten. Diesmal war von der Kartoffel wesentlich mehr übrig geblieben, als die Male davor. Sie war zwar nicht perfekt, noch immer blieb einiges an der Schäle hängen, doch er lernte. Er war langsamer – viel langsamer – als der Küchenchef mit seiner Arbeit, doch das machte nichts. Jede Hilfe entlastete doch den Meister, da er sonst stets allein für die Küche zuständig gewesen zu sein schien.
Seine Gedanken schweiften zu dem Jungen hin, welcher ihn ‚gerettet’ hatte. Obwohl er immer noch nicht wusste, ob er ihm dafür dankbar sein sollte oder nicht. Vermutlich blieb ihm nichts anderes übrig... Sonst wäre er ja doch nur über Bord geworfen worden, ohne dass er schwimmen konnte. Nach dem, was er heute erlebt hatte, traute er dem Captain zu, dass sie ihn wirklich über Bord geworfen hätte. Wäre dieser Fynn nicht gewesen, wäre er womöglich als Fischfutter geendet. Da war ihm die Arbeit in der Küche doch wesentlich lieber. Dennoch wusste er nicht, weshalb der Junge das für ihn getan hatte. Erhoffte er sich, daraus selbst einen Vorteil für sich ziehen zu können? Oder wollte er sehen, wie der Rothaarige auf diesem Schiff unterging? Wollte er sehen, wie er scheiterte? Das würde Pan nicht zulassen. Nein. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Fynn ihn einfach sympathisch fand. Auf diese Idee kam er nicht einmal. Zu viele Grausamkeiten hatte er in der Vergangenheit erlebt, hatte seine Kindheit nicht genießen dürfen. Er hatte immer hart durch um sein Überleben kämpfen müssen. Traue niemandem!, war sein Grundsatz. Und er traute diesem Jungen noch nicht recht über den Weg. Er würde ihn auf jeden Fall im Auge behalten.
Pan wurde in seinem Gedankengang unterbrochen, als der Küchenchef auf seine Antwort, weshalb er auf die Estrella gekommen war, reagierte. Prompt meldete sich sein Magen laut und deutlich. Er lief rot an und richtete seinen Blick stur auf die Kartoffeln, welche er in der Hand hatte, nur um nicht das belustigte Gesicht des Mannes vor sich zu sehen. Das war ja mal wieder typisch. Diese Ausrede hätte er sich sparen können. Es war offensichtlich, was er auf der Estrella gesucht hatte. Er sagte nichts mehr, schälte nur weiter Kartoffeln. Doch den Küchenchef schien es nichts auszumachen, dass Pan ihn angeflunkert hatte. Statt sich darüber zu ärgern, erwähnte er bloß, dass er mitbekommen hätte, was vorhin auf dem Schiff vor sich gegangen war. Er solle sich keine Sorgen machen und sie bekämen das hier in der Küche schon geregelt. Dankbar für die Aufmunterung brachte der Rotschopf ein kleines Lächeln zustande und blickte kurz zu seinem Chef auf.
Im weiteren Verlauf redeten sie nicht viel. Der Kleine war zu sehr damit beschäftigt, die Kartoffeln ordentlich zu schälen und legte fast seine gesamte Konzentration auf diese Arbeit. Außerdem hatte er keine Lust, zu reden. Was hätte er schon erzählen können? Er wollte nichts aus seinem Leben verraten. Das ging niemanden außer ihn etwas an.
Die Schüssel für die Kartoffeln füllte sich zunehmend und bald hatten sie endlich genug für die ganze Crew. Auf die Anweisung des Küchenchefs hin, nahm der Rothaarige den Eimer mit den Abfällen und trug ihn zu der Luke, auf die der Große gedeutet hatte. Vorsichtig stieg er die ersten Stufen der Leiter hinunter, hielt sich mit der einen Hand an den Sprossen der Leiter fest, in der anderen trug er den Eimer. Langsam, um das Gleichgewicht zu halten, stieg er Sprosse für Sprosse in die Kammer hinunter. Hinter ihm grunzte und quiekte es. Die Tiere erwarteten das Futter schon sehnsüchtig. Wenige Sprossen über dem Boden verlor Pan plötzlich doch das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Nur knapp konnte er verhindern, dass er mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Die Hüfte begann zu schmerzen, doch es schien nichts gebrochen zu sein. „Alles in Ordnung!“, rief er nach oben zu Meister Ferdinand, welcher besorgt zu ihm hinunterblickte. Er rappelte sich schnell wieder auf und sammelte so gut es ihm möglich war, die Kartoffelreste wieder zusammen und warf sie in die Wanne. Anschließend kletterte er die Leiter wieder hoch und stellte den Eimer neben dem Tisch ab. Dass er sich auch immer so ungeschickt anstellen musste!
Die Kartoffeln wurden in Wasser gekippt und gekocht, bis sie gar waren. Nachdem er dem Meister Salz, Milch und Butter gebracht hatte, wie man es ihm aufgetragen hatte, ließ er sich wieder auf den Hocker fallen und schaute zu, wie der Küchenchef begann, die gekochten Kartoffeln zu zerstampfen und die Zutaten beizufügen. Aus den Kartoffeln entstand zunehmend eine breiige Masse, die einen leckeren Geruch verströmte. Ferdinand trug ihm auf, an seiner Stelle weiter zu machen. Der Kleine musste all seine Kraft aufwenden, um überhaupt einigermaßen, die Kartoffeln klein zu kriegen. Bereits nach wenigen Minuten war musste er eine kurze Pause einlegen und Kraft sammeln. Er war einfach zu schwach. Kein Wunder. Er war ein kleines, armes Straßenkind. Er seufzte. Wie er schon gesagt hatte: Es war hoffnungslos.
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